FOTO: by Adrian Langenbach
Zerstörung und Wahrhaftigkeit.
Über das Album Wonderful Life von Voodoo Beach
Die Band Voodoo Beach ist ein unwahrscheinliches Unterfangen: In einer Zeit, in der Songs nach 30 Sekunden bereits ihr Innerstes preisgeben sollen, machen Voodoo Beach Musik, die sich nicht ohne Weiteres in dieses Rauschen um uns einfügen möchte. Das ist es, was ihren künstlerischen Ansatz so wichtig macht.
Die Berliner Band existiert bereits einige Jahre in unterschiedlichen Besetzungen, dabei bilden Josephine Oleak als Schlagzeugerin und John-H. Karsten als Bassist ein eingespieltes Rhythmus- Duo. Im Jahr 2020 finden Voodoo Beach schließlich zur heutigen Besetzung, als Heike Marie Rädeker als Sängerin und Gitarristin hinzukommt. Die drei Musiker:innen schreiben neue Songs, arrangieren altes Material mit Rädeker neu – die sofort hörbar ihren Stil mit einbringt.
Zuvor hatte sie seit den 1990ern unter anderem in der Band 18th Dye Bass gespielt, dabei ein Album mit Steve Albini und drei Peel-Sessions aufgenommen. Gesungen hatte sie dabei auch, aber nur auf Englisch, und nie Gitarre gespielt. Jetzt sind die Texte deutsch und ihr Gitarren- ist so wie zuvor ihr Bassspiel: perkussiv, von Rückkopplungen durchzogen – aber eben auch einfühlsam und melodiös.
Voodoo Beachs Post Punk neigt sich auf Wonderful Life hier und da dem Noise Rock mit seinen ungehobelten, eigenwilligen Kapriolen zu. Urgewalten, die immer wieder aus dem Nichts Rädekers eingängigen Gitarrenriffs auffressen, Karstens Bass geht dann im Feedback auf und Oleaks sonst so dosiertes Spiel vergisst sich in einem Tosen. Zerstörerische Impulse, die unsere Gemüter dankbar aufnehmen, weil sie uns daran erinnern, dass Musik alles sein kann: blanker Eskapismus und ungebremste Dystopie.
Für diese Intensitäten finden Voodoo Beach zudem eine zeitlose Poesie, wie es in den letzten Jahren nur wenige deutschsprachige Bands vermochten. Aus den Texten spricht ein Ich, das – wie wir alle – irgendwie in diese Welt geraten ist und ihr mit mal mehr, mal weniger Kraft begegnen kann, wie im Song Die Hand: »Leben auf Kredit / Und alle machen mit / Alles anthrazit / Die Tiere schrei’n im Wald.«
Wie also diesem »Leben auf Kredit« begegnen? Eine Möglichkeit wäre, allen Verführungen und Verwirrungen ein inbrünstiges »Nein« entgegenzusetzen, wie es der gleichnamige Song auf wunderbar eingängige Weise tut. Oder ein Beschwören des Wonderful Life, wie im titelgebenden Song, in dem der Berliner Songwriter John Moods neben Rädeker zu hören ist – durchdringend und ungewohnt dunkel. Oder das Feiern des mängelbehafteten Menschen, des Menschseins, dem Hendrik Otremba, Autor und Sänger der Band Messer, den morbiden Charme seiner Stimme leiht (Meine Seele).
»Nichts bleibt für die Ewigkeit«, das sind die letzten Worte des Songs Euphorie, der letzte auf Wonderful Life. Und es ist wahr: Alles kann, alles muss weggewischt werden. Die Musik von Voodoo Beach ist hier eine nachdrückliche Intervention. Sie fragt nach einer Wahrhaftigkeit, nach einer aufrichtigen Haltung zu unserem Leben – und ist deshalb in jeglicher Hinsicht mehr als das vergängliche Rauschen, das uns umgibt: eine physische, berührende Erfahrung.
David Hutzel
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